Was ist radikaler konstruktivismus?

Radikaler Konstruktivismus

Der radikale Konstruktivismus ist eine erkenntnistheoretische Position, die besagt, dass Wissen nicht als eine passive Widerspiegelung der Realität aufgefasst werden kann, sondern aktiv vom erkennenden Subjekt konstruiert wird. Im Gegensatz zum trivialen Konstruktivismus, der lediglich die aktive Rolle des Lernenden betont, geht der radikale Konstruktivismus davon aus, dass wir keinen direkten Zugang zu einer objektiven Realität haben und somit auch keine "wahren" Abbilder der Welt erzeugen können.

Kernaussagen:

  • Wissen als Konstruktion: Wissen ist keine passive Repräsentation einer objektiven Realität, sondern eine aktive Konstruktion des Individuums. (https://de.wikiwhat.page/kavramlar/Konstruktion%20von%20Wissen)
  • Viabilität statt Wahrheit: Der Fokus liegt nicht auf der "Wahrheit" einer Erkenntnis, sondern auf ihrer "Viabilität", d.h. ihrer Brauchbarkeit und Anpassungsfähigkeit in der Erfahrungswelt des Individuums. Erkenntnisse müssen funktionieren, um dem Individuum zu helfen, seine Ziele zu erreichen und mit seiner Umgebung umzugehen. (https://de.wikiwhat.page/kavramlar/Viabilität)
  • Erkenntnis als Anpassung: Erkenntnis ist ein Prozess der Anpassung an die Erfahrungswelt, nicht ein Prozess der Entdeckung einer vorgegebenen Realität. (https://de.wikiwhat.page/kavramlar/Anpassung%20an%20die%20Erfahrung)
  • Autopoiesis: Der radikale Konstruktivismus betont die Autopoiesis, d.h. die Selbstorganisation und Selbsterhaltung von lebenden Systemen. Erkenntnisprozesse dienen der Aufrechterhaltung der Organisation des Systems. (https://de.wikiwhat.page/kavramlar/Autopoiesis)
  • Kein ontologischer Realismus: Die Existenz einer objektiven, von der Erkenntnis unabhängigen Realität wird zwar nicht unbedingt geleugnet, aber ihre Erkennbarkeit wird in Frage gestellt. Der radikale Konstruktivismus konzentriert sich auf die Konstruktionen des Individuums, nicht auf die Frage nach der objektiven Realität. (https://de.wikiwhat.page/kavramlar/Ontologischer%20Realismus)

Bedeutende Vertreter:

  • Ernst von Glasersfeld
  • Heinz von Foerster
  • Humberto Maturana
  • Francisco Varela

Implikationen:

Der radikale Konstruktivismus hat wichtige Implikationen für verschiedene Bereiche, insbesondere für:

  • Pädagogik: Betonung des selbstgesteuerten Lernens und der Konstruktion von Wissen durch die Lernenden selbst. Lehrer werden als Moderatoren und Unterstützer des Lernprozesses gesehen, nicht als Vermittler objektiver Fakten. (https://de.wikiwhat.page/kavramlar/Konstruktivistische%20Pädagogik)
  • Therapie: Verständnis von psychischen Problemen als dysfunktionale Konstruktionen der Realität. Therapie zielt darauf ab, alternative, funktionierendere Konstruktionen zu entwickeln.
  • Kommunikation: Betonung der aktiven Rolle des Empfängers bei der Interpretation von Botschaften. Kommunikation wird nicht als Übertragung von Informationen verstanden, sondern als interaktiver Prozess der Bedeutungsbildung.

Kritik:

Der radikale Konstruktivismus wird oft kritisiert, weil er zu einem Relativismus oder Solipsismus führen könne, d.h. zu der Annahme, dass jede Erkenntnis gleichwertig sei oder dass nur die eigene Erfahrung zählt. Befürworter des radikalen Konstruktivismus argumentieren jedoch, dass Viabilität ein objektives Kriterium für die Bewertung von Erkenntnissen darstellt, da nicht jede beliebige Konstruktion in der Realität funktioniert.